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BAG bestätigt „Fallschirmlösung“: Keine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses bei „Scheinwerkverträgen“

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RAin Kira Falter und RA/FAArbR Dr. Alexander Bissels, beide CMS Hasche Sigle, Köln

RAin Kira Falter und RA/FAArbR Dr. Alexander Bissels, beide CMS Hasche Sigle, Köln

Nach ganz überwiegenden Ansicht in der Rechtsprechung schützt eine vorsorglich eingeholte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vor den unerwünschten Folgen eines „Scheinwerkvertrages“; die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem de facto als Zeitarbeitnehmer eingesetzten Mitarbeiter und dem Kundenunternehmen wird durch diese verhindert, selbst wenn sich der an sich vereinbarte Werkvertrag im Nachgang als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung darstellen sollte (vgl. nur: LAG Baden-Württemberg vom 18.06.2015 – 6 Sa 52/14; LAG Rheinland-Pfalz vom 28.05.2015 – 2 Sa 689/14). Eine vorsorglich eingeholte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis wirkt in diesem Fall folglich wie ein „Fallschirm“.

Allerdings ist die herrschende Ansicht nicht unumstritten gewesen. Nach einer Mindermeinung soll es ein widersprüchliches Verhalten sowohl des Dienstleisters als auch des Kundenunternehmen darstellen, sich bei einem an sich vereinbarten Werkvertrag nunmehr auf ein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis bei bestehender (Vorrats-)Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu berufen. Die Parteien hätten sich während der gesamten Vertragslaufzeit gerade außerhalb des AÜG stellen wollen und somit bewusst den durch das AÜG vermittelten Sozialschutz des Klägers zu verhindern versucht. Vor diesem Hintergrund soll vielmehr ein Arbeitsvertrag zwischen dem „Zeitarbeitnehmer“ und dem Kundenunternehmen als zustande gekommen gelten (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 03.12.2014 – 4 Sa 41/14; im Ergebnis auch: Brose, DB 2014 S. 1739).

Dieser Auffassung hat der 9. Senat des BAG inzwischen eine Absage erteilt und damit die „Fallschirmlösung“ ausdrücklich bestätigt (Urteil vom 12.07.2016 – 9 AZR 352/15; so auch die Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg vom 07.05.2015 – 6 Sa 78/14).

Der Fall

Die Klägerin ist technische Zeichnerin. Sie war bei der Beklagten, einem Automobilunternehmen, seit dem Jahr 2004 bis zum 31.12.2013 tätig. Grundlage ihrer Tätigkeit waren zwischen der Beklagten und der Vertragsarbeitgeberin der Klägerin als Werkverträge bezeichnete Vereinbarungen. Die Vertragsarbeitgeberin verfügte über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin hat gemeint, ihre Vertragsarbeitgeberin und die Beklagte hätten nur Scheinwerkverträge geschlossen, um die Arbeitnehmerüberlassung zu verdecken. Die Beklagte könne sich deshalb nicht auf die erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung berufen.

Die Entscheidung

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 07.05.2015 – 6 Sa 78/14), mit der die Klägerin vor allem festgestellt haben wollte, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG laut einer Pressemitteilung vom 13.07.2016 keinen Erfolg. Zwischen der Beklagten und der Klägerin sei auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, selbst wenn die Klägerin auf der Grundlage eines Scheinwerkvertrags als Zeitarbeitnehmerin der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden wäre. Dies gelte jedenfalls, wenn ein Arbeitgeber – wie vorliegend – über die nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG erforderliche Erlaubnis verfügt und der Einsatz des Zeitarbeitnehmers nicht als Arbeitnehmerüberlassung, sondern als Werkvertrag bezeichnet worden sei (verdeckte Arbeitnehmerüberlassung).

Maßgeblich sei – so der 9. Senat wörtlich –, dass die Vertragsarbeitgeberin der Klägerin über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügt habe. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG fingiere i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe für eine solche nicht offene Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet.

Der 9. Senat hat am 12.07.2016 zudem über zahlreiche weitere vergleichbare Fälle entschieden, in denen sich das in Anspruch genommene Kundenunternehmen auf die vorsorgliche Überlassungserlaubnis des eigentlichen Vertragsarbeitgebers berufen hat (Az. 9 AZR 51/15 zu LAG Baden-Württemberg vom 04.12.2014 – 4 Sa 41/14; Az. 9 AZR 359/15 zu LAG Baden-Württemberg vom 18.06.2015 – 6 Sa 52/14; Az. 9 AZR 537/15 zu LAG Rheinland-Pfalz vom 28.05.2015 – 2 Sa 689/14; Az. 9 AZR 595/15 zu LAG Baden-Württemberg vom 12.08.2015 – 21 Sa 98/14).

Fazit

Die Entscheidung des BAG ist im Ergebnis richtig, allerdings wird der Gesetzgeber der sog. „Fallschirmlösung“ voraussichtlich mit Wirkung zum 01.01.2017 einen Riegel vorschieben. Aus den bislang bekannt gewordenen Gesetzesentwürfen zur Regulierung des Fremdpersonaleinsatzes geht hervor, dass sich zukünftig auf die legitimierende Wirkung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nur derjenige berufen können soll, der den zugrunde liegenden Vertrag auch ausdrücklich als „Arbeitnehmerüberlassung“ bezeichnet ; ansonsten wird ein Arbeitsverhältnis zum Kundenunternehmen fingiert (vgl. § 1 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG-E).

Sollten diese Pläne Gesetzeskraft erlangen, wofür eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, würde dies gleichzeitig das Ende der „Fallschirmlösung“ bedeuten. Gerade in Grenzbereichen, in denen nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen ist, ob noch ein Werk-/Dienstvertrag oder schon eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, kann sich der Auftragnehmer durch eine vorsorglich eingeholte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Dienstleisters nicht mehr ohne weiteres „freizeichnen“. Vielmehr müssen sich die Beteiligten aktiv für die Durchführung einer Arbeitnehmerüberlassung entscheiden und dies im Vertrag entsprechend kennzeichnen, um die legitimierende Wirkung der Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG auch für sich in Anspruch nehmen zu können. Dies führt zu dem zweifelhaften Ergebnis, dass sich die Parteien „sicherheitshalber“ dafür entscheiden werden, den Vertrag als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, obwohl de facto ein Werkvertrag durchgeführt wird. Erstaunlich ist die geplante Konstruktion des Gesetzgebers allemal: bislang ist für die rechtliche Bewertung eines Vertrages und dessen Zuordnung zu einem im BGB normierten „Typ“ nämlich gerade nicht ausschlaggebend, wie dieser bezeichnet wird, sondern wie dieser faktisch gelebt wird. Im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung soll dies zukünftig anders sein – nachvollziehbar ist dies nicht.


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